Heydenwall

Photo: Detailaufnahme Teppich von Bayeux, Adeliger

Heydenwall ist ein Darstellungs- und Kampfbund für lebendige Geschichte (Living History): Dabei stellen wir wissenschaftsorientiert Kampfkunst, Sachkultur, Handwerk sowie Alltagsleben vergangener Epochen dar und sind eine Recherchegemeinschaft. Wir sind eine lebendige Herrschaft der Tätigen, bei der alle eigenverantwortlich für sich wirken und gemeinsam das Leben in der Gruppe gestalten. Wir organisieren Trainings und treffen uns zum handwerklichen Austausch oder für Vorträge und Diskussionen. Weiterhin organisieren und besuchen wir auch Veranstaltungen und Vorführungen im Kontext von lebendiger Geschichte. Wir haben Spaß an der Sache und im gemeinsamen Beisammensein. Heydenwall ist eine Gruppe, die sich nicht ganz ernst nimmt, aber durchaus ernst zu nehmend ist.

Abbildung: Maciejowski Bibel, Speerkämpfer leichte Kleidung Anfänglich hatte die Gruppe gar keinen Namen. Wann immer wir gefragt wurden, antworteten wir mit: „Wir trainieren in Oldenburg und das sind so mehrere Leute …“ Damit war es allerdings recht schwierig, sich auf Märkten anzumelden.

Also war ein Name gefragt. Wir wollten einen Namen, der was mit dem Fechten, das wir betreiben, zu tun hat. Einen Namen, der mehr oder weniger auch uns darstellt und so hießen wir zeitweilig „Schildwall“. Nach einiger Zeit mussten wir aber feststellen, dass es nun auch noch eine andere Gruppe gab, die diesen Namen nutzte. So haben wir uns dann entschlossen, einen neuen Namen zu suchen. Zu jener Zeit wurde bei einer Ausgrabung in Oldenburg der sogenannte „Heydenwall“ gefunden. Die kleine Ringwallanlage ist wahrscheinlich namensgebend für die Stadt Oldenburg. Wir haben uns dann nach diesem Wall benannt.

Und so sind wir heute „Heydenwall“.

Abbildung: Saxenspiegel, Darstellung Deichbau

„Keen nich will dieken, de mutt wieken“
(Wer nicht will deichen, der muss weichen)

Wer Heydenwall sein will, muss heydenwallig sein!

Heydenwallis haben sich zu einer Gruppe zusammengefunden, da wir Gefallen an dem gemeinsamen Wirken gefunden haben. Um in stetig freien Wandel der Gruppe einen gemeinsamen Kern sichtbar werden zu lassen, haben wir uns eine Verfassung gegeben, die wiedergibt, was Heydenwall ausmacht und wie wir Miteinader umgehen.

Heydenwall-Verfassung

Heydenwallis sind erkennbar an ihrem Heydenwall-Schild oder einem meist gut sichtbaren Objekt mit dem Heydenwall-Bogen darauf. Du möchtest auch zu Heydenwall gehören? Frag uns! Unternimm etwas mit uns: Fahr mit uns auf Veranstaltungen, lebe dich ein, gib uns die Gelegenheit dich kennenzulernen. Alle Heydenwallis entscheiden dann gemeinsam auf einem Thing, ob du zu uns passt.

Abbildung: Maciejowski Bibel, Schwertkämpfer

Bei Heydenwall haben wir uns nicht auf eine Epoche festgelegt. Alle entscheiden selbst, in welchem Rahmen sie einer Darstellung entgegenstreben. Aktuell sind die meisten Darstellungen orientiert an den Veranstaltungen, die wir selbst mittragen: 900-1050 im Umfeld von Haithabu und 1075-1125 in Nordwestdeutschland.

Bei Heydenwall geht es auch immer wieder um die Auseinandersetzung mit Geschichte. Dies geschieht in verschiedenen Formen der historischen Darstellung und auch im Rahmen von Rekonstruktionen und Recherchen. Dabei legt jeder selbst fest, welche Interessen, mit welchem Anspruch verfolgt werden. Bei uns ist es üblich, dass dabei der Anspruch an die Veranstaltungen angepasst ist und darüber hinausgegangen wird.
Jede Darstellung stellt jedoch nur einen Versuch der Annäherung dar, der vielfach begrenzt ist durch unsere Ressourcen oder auch durch unser Recht auf körperliche Unversehrtheit und immer auch durch unser Denken als Mensch der Gegenwart. Dennoch bringt uns jeder Darstellungsversuch dem Verständnis der Vergangenheit und in der Reflexion auch immer der Gegenwart näher.

Was wir unter den verschiedenen Begriffen verstehen, mit denen Darstellungen und Rekonstruktionen benannt werden:

Abbildung: Codex Aureus Epternacensis f76 Weinberg

Meist mit den Begriffen „Living History“ und „Historisches Rollenspiel“ bezeichnet.

Historische Darstellung als lebende Geschichte. Dabei geht es um das Erleben oder erlebbar werden lassen einer geschichtlichen Epoche. Der Fokus liegt dabei auf den sozialen Bildern und Rollen der Zeit und auf den Verhältnissen der Menschen zueinander. Dies wird auch durch die materielle Kultur der Epoche dargestellt.

Abbildung: Otto von Freising Weltchronik ms bos q 6 Fol 79r

Meist mit dem Begriff „Reenactment“ bezeichnet.

Historische Darstellung als die Wiederaufführung und Nacherzählung konkreter Ereignisse. Dabei wird ein konkretes, historisches Geschehen nachgespielt. (Dies kann sowohl eine bestimmte Gerichtsverhandlung sein, oder auch eine bestimmte Schlacht, als auch ein historischer Disput unter Verhandlungspartnern sein.) Um dies angemessen umzusetzen, werden die historischen Gegebenheiten möglichst klar recherchiert, um das Geschehen darzustellen.

Zeichnung: Hobeln eines Speers in Farbe von Friedrich

Meist mit den Begriffen „Experimentelle Archäologie“ und „HEMA“ bezeichnet.

Historische Darstellung als Rekonstruktion von Anwendungstechniken. Hierbei werden Nachbildungen von Funden in konkreten Versuchssituationen benutzt, um durch die Benutzung genaueres über einzelne Aspekte von deren Anwendungsmöglichkeiten zu erfahren. Der Ausgangspunkt dabei ist immer der Fund, das Ziel ist etwas über dessen Anwendungsmöglichkeiten zu erfahren. Dabei wird sowohl etwas über den Gegenstand in Erfahrung gebracht, als auch die daraus resultierenden Handlungsoptionen und Handlungstechniken. Des Weiteren werden überlieferte Techniken nachempfunden und rekonstruiert und so in ihrer hintergründigen Methode und Anwendungsweise wieder belebt.

Abbildung: Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen Mendel 1 Folio 25 verso Schlosser

Meist mit den Begriffen „Archäotechnik“ und „historisches Handwerk“ bezeichnet.

Historische Darstellung als Rekonstruktion und Vorführung von Techniken. Dabei werden mit historischen Werkzeugen historische Funde nachgebildet oder überlieferte Techniken wieder belebt. Der Ausgangspunkt sind dabei hypothetisch angenommene Produktionstechniken, das Ziel ist die Nachbildung des Funds und damit die theoretische Fundierung der Produktionstechniken. Dies führt größtenteils zu einem tieferen Einblick in den Aufbau der Funde und in die Herstellungszusammenhänge. Es werden die Möglichkeiten der historischen Werkzeuge nachempfunden und so weitere Einblicke in die Möglichkeiten der dargestellten Zeit gewonnen.

Photo: Detailaufnahme Teppich von Bayeux, das Fest

Historischen Darstellung als Rahmen für ein freundliches Miteinander. Dabei geht es um die guten Partys, die es in diesem Hobby gibt, ohne die das alles nur halb so gut wäre, wie es ist. Vornehmlich treffen wir uns an schönen Schauplätzen in unseren Gewandungen und trinken aus unseren nach Funden gefertigten Gefäßen, Getränke, die uns trunken werden lassen und so stimmen wir Heldenlieder über große Taten an, wie es in alten Überlieferungen berichtet wird. 😉

Photo: Detailaufnahme Teppich von Bayeux Kampf Bei Heydenwall ist der mittelalterliche Waffengang – das Fechten mit mittelalterlichen und renaissancezeitlichen Waffen - etwas, das in verschiedenen Stilen praktiziert wird und unter verschiedenen Gesichtspunkten weiter entwickelt und trainiert wird. Wir haben viele Interessen und genießen es, dass diese einander ergänzen und erweitern.

Dass es nicht möglich ist, den Ansprüchen, die in den folgenden Auffassungen formuliert werden, immer ganz gerecht zu werden, ist klar. Wir bemühen uns aber dennoch darum!

Piktogramm: Sport Icon Einhandspeer

Hauptsächlich verwirklicht im Codex Belli 2003, 2010 und Western Style.

Mittelalterfechten als Sport, so wie wir es verstehen, ist ein Teamsport mit unbestimmter Gruppengröße, bei dem Schiedsrichter nicht benötigt werden, da das Spiel von gegenseitigem Respekt und dem eigenen Anspruch zur Verbesserung geprägt ist. Hierbei geht es im Besonderen um die körperliche Fitness, den Spaß an der Bewegung und die taktischen Aspekte des Fechtens.

Photo: Kirche Westerwijdwert, Friesischer Schwertkämpfer

Hauptsächlich verwirklicht im Huskarl und Eastern Style.

Mittelalterfechten als Kampfkunst ist nach unserem Verständnis die Kunst, die sich mit dem rechten Fluss der Bewegungen in Tempo, Position und Kraft befasst und diese elegant verwirklicht. Es geht um die Vervollkommnung des eigenen Stils und der sozialen und geistigen Komponenten des Kämpfens.

Abbildung: Flos Duellatorum 1409, Speerkämpfer

Hauptsächlich verwirklicht im HEMA und Historischen Fechten.

Mittelalterfechten als historische Rekonstruktion ist aus unserer Perspektive der Versuch, anhand von historischen Quellen Techniken zu rekonstruieren und durch den praktischen Vollzug als Gebrauchstechnik wiederzubeleben. So wollen wir letztendlich einen Einblick in die historischen Kampfweisen und deren Systeme erhalten, um sie dann wieder mit Leben zu erfüllen.

Abbildung: Codex Manesse Herzog von Anhalt

Hauptsächlich verwirklicht im Buhurt und Vollkontakt.

Mittelalterfechten als Vollkontaktkampf in unserem Sinne ist das bewusste Weglassen von Regeln, nicht aber der Verzicht auf Vernunft. Dass damit eine Erweiterung des Schutzes über das historische Maß nötig wird und es dabei auch Hebel, Stiche und Schläge gibt, die nicht verletzungsfrei durchgeführt werden können, ist selbstverständlich. Dennoch eröffnet Vollkontaktfechten die Möglichkeit, Kampf unmittelbar zu erleben und so eine weitere Perspektive zu öffnen.

Abbildung: Joachim Meyer Strassburg 1570

Hauptsächlich verwirklicht im Schaukampf und Reenactment.

Mittelalterfechten als Schaukampf ist nach unserem Konzept das Vorführen von zeitgenössischen und historischen Fechtweisen, das Nachstellen historischer Ereignisse und das Nachspielen von Geschichten, die in den historischen Kontext passen. Dies kann als eingeübte und geprobte Vorführung geschehen oder auch als freie, spontane Zusammenstellung aus einem Repertoire. Ein Ziel ist dabei das interessante Aufführen für Publikum und Darstellenden, dies gilt für Einzelkämpfe ebenso wie für Schlachten. Dabei werden von uns auch immer gerne Konfliktlösungen gewählt, die nicht tödlich enden.

Mittelalterfechten als Spiel ist nach unserer Auffassung ein wichtiger Teil aller Stile und einer der Kerngedanken von Heydenwall. Sowohl in Form eines spielerischen Kampfstils als auch als Trainingsmittel.

Ein spielerischer Kampfstil beinhaltet, seinen eigenen Anspruch über den Rahmen der Regeln zu erweitern. Das heißt: Sich selbst in seinem Repertoire zu beschränken oder den Präzisionsanspruch zu verschärfen und so das eigene Kämpfen zu verändern, die Fähigkeiten zu erweitern und so seinen eigenen Spielspaß finden.

Die Beschäftigung mit Teilsituationen des Kämpfens in Form von Spielen ermöglicht ein Einleben und somit ein Einüben der darin entstehenden Situationen. Dies erweitert das Repertoire, die Kommunikation und die Entscheidungsfähigkeit. Das Beste daran ist: Spiele machen Spaß und motivieren!

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  • Zuletzt geändert: 2023-12-19 13:27
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